TENUTA LICINIA, TOSCANA, ITALIEN

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EINFÜHRUNG 

Die Tenuta Licinia liegt in der Toskana, nahe dem mittelalterlichen Dorf Lucignano an der Grenze zwischen den Provinzen Siena und Arezzo. Das Weingut umfasst 60 Hektar Wald, 5,5 Hektar Weinberge und 3 Hektar Olivenhaine.

Ich wurde zu einem Zoom Tasting der Tenuta Licinia mit James Marshall-Lockyer eingeladen.

LAGE & PHILOSOPHIE

Die Tenuta Licinia befindet sich in der Toskana, am Fusse des Apennins, bevor dieser ins Valdichiana übergeht. Sie liegt nahe dem Dorf Lucignano an der Grenze zwischen den Provinzen Siena und Arezzo. Das Weingut verfolgt ein einzigartiges Konzept: Es konzentriert sich auf die Wiederherstellung vergessener oder übersehener historischer Clos-Weinberge mit besonderen geologischen Eigenschaften.

Während sich viele Weingüter in der Toskana auf grössere, zusammenhängende Rebflächen konzentrieren, setzt Tenuta Licinia auf eine burgundisch inspirierte Herangehensweise: Die einzelnen Parzellen werden gezielt nach ihrer Bodenbeschaffenheit ausgewählt, wodurch ein Mosaik kleiner, hochwertiger Weinberge über eine Fläche von 30 Kilometern verteilt, entsteht. Im Gegensatz zu Burgund oder Bordeaux sind diese Weinberge jedoch oft völlig isoliert und von Wäldern umgeben.

Der Grund für diese Isolation liegt in der geologischen Beschaffenheit der Toskana: Die Subsoils sind extrem heterogen und wechseln innerhalb weniger Meter. Während in Bordeaux oder Burgund ganze Regionen von ähnlichen Bodentypen geprägt sind, befinden sich die besten toskanischen Weinlagen oft in winzigen, schwer auffindbaren Parzellen von nur 1 bis 2 Hektar Grösse.

Alle Weine des Weinguts sind Einzellagenweine, die ihr Terroir in besonderer Weise widerspiegeln. Der Stil der Tenuta Licinia kann als „Clos-Stil“ beschrieben werden: aromatische Intensität, ausgeprägte Mineralität und ein feines Gleichgewicht zwischen Struktur und Eleganz. Dies wird durch sanftere Extraktionen und eine zurückhaltende Verwendung von Holz erreicht.

GESCHICHTE: VON EINER VERGESSENEN PARZELLE ZUM HOCHKLASSIGEN WEINGUT

Die Ursprünge der Tenuta Licinia reichen in die 1970er Jahre zurück, als der belgische Anwalt Jacques de Liedekerke eine tiefe Freundschaft mit einem toskanischen Auswanderer schloss, der nach Belgien gezogen war. Eines Tages zeigte ihm sein Freund ein altes, verlassenes Bauernhaus mit einem kleinen Weinberg und fragte ihn, ob er Interesse an einer Restaurierung hätte.

Jacques entschied sich, das Projekt in Angriff zu nehmen, hatte aber zunächst keinen Fokus auf den Weinbau, da er sich selbst nicht als Produzent sah. Erst nach Jahren des Lernens über Bodenkunde erkannte er das Potenzial der Parzelle. Nach seiner Pensionierung in den frühen 2000er Jahren widmete er sich schliesslich vollends dem Weinbau und begann mit der Neupflanzung der Rebflächen.

Nach 20 Jahren intensiver Forschung und diverser Experimente gelang es 2019 erstmals, einen Wein zu erzeugen, der die Identität des Terroirs widerspiegelte. Obwohl er noch nicht das volle Potenzial des Weinbergs ausschöpfte, zeigte er eine klare aromatische Handschrift mit ausgeprägten Hagebuttennoten. Leider erkrankte Jacques kurz nach der Ernte 2019 schwer.

Sein Enkel James Marshall-Lockyer (32 J), damals Doktorand der Philosophie an der Universität Oxford, übernahm das Weingut mit dem Ziel, das Erbe seines Grossvaters weiterzuführen. Sein akademischer Hintergrund in Ethik und Werttheorie führte ihn zu einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit der Wechselwirkung zwischen Subsoils und Reben. Er entwickelte ein spezielles System zur Klassifizierung und Analyse verschiedener Bodenstrukturen, um die Qualitätspotenziale der Weinberge noch präziser zu verstehen.

Nach der Ernte 2020 nahm James erste Anpassungen vor, darunter eine gezieltere Subsoil-Abgrenzung für die Cuvées. 2021 wurde schliesslich der erste Wein produziert, der das vollständige Terroir-Profil der Parzelle widerspiegelte. Diese Abfüllung trägt den Namen Sasso di Fata und ist die erste vollständige Verwirklichung der Philosophie des Weinguts.

TERROIR & GEOLOGIE: EIN MIKROPARZELLIERTER ANSATZ

Tenuta Licinia unterscheidet sich von anderen toskanischen Weingütern durch ihren geologischen Fokus. Während in Italien der Begriff „Terroir“ oft auf eine ganze Region oder Gemeinde angewandt wird, verfolgt Licinia eine viel kleinteiligere Sichtweise: Entscheidend ist nicht die Lage in einer bestimmten Appellation, sondern die spezifische Zusammensetzung des Subsoils.

Die Weinberge des Weinguts stehen auf Galestro-Lehmböden, einer schieferhaltigen, brüchigen Gesteinsformation, die typisch für die besten Lagen der Toskana ist. Diese Böden sind nur von einer dünnen Humusschicht bedeckt (5-15 cm), sodass die Wurzeln tief in den Untergrund wachsen müssen. Die besondere Struktur des Gesteins bringt mehrere Vorteile mit sich:

  • Drainage & Wasserspeicherung: Das brüchige Schiefergestein ermöglicht eine natürliche Drainage, sodass überschüssiges Wasser abfliesst. Gleichzeitig speichert der Ton im Schiefer kleine Mengen Wasser, die die Reben in trockenen Zeiten versorgen.
  • Mineralische Prägung: Diese Böden verleihen den Weinen eine ausgeprägte salzige und graphitartige Mineralität.
  • Florale Aromatik: Die Kombination aus Schiefer und Cabernet Sauvignon führt zu einem einzigartigen Rosenduft in den Weinen.

James führt das Erbe seines Grossvaters fort, indem er weiterhin kleine, aussergewöhnliche Parzellen aufspürt. So identifizierte er 2022 eine neue 1,5 Hektar grosse Sangiovese-Parzelle namens Montalceto, die 2023 erstmals geerntet wurde.

NACHHALTIGKEIT & BIODIVERSITÄT

Die Tenuta Licinia verfolgt eine biologisch zertifizierte und in Teilen biodynamische Bewirtschaftung. Die Weinberge werden mit sehr niedrigen Erträgen (20-25 HL/Ha) geführt, um höchste Qualität zu gewährleisten. Um die Böden langfristig fruchtbar zu halten, wird auf sanfte Bodenbearbeitung gesetzt, und es werden biodynamische Präparate wie Hornmist zur Förderung des Mikroorganismenlebens eingesetzt.

Zusätzlich wird grosser Wert auf den Erhalt der natürlichen Umgebung gelegt:

  • Bienenstöcke wurden angesiedelt, um die Biodiversität zu fördern.
  • Wälder bleiben unangetastet, nur die Weinberge sind eingezäunt, damit Wildtiere weiterhin ihre natürlichen Wege nutzen können.

Fazit

Bei James Marshall-Lockyer spürt man die Leidenschaft, aus dieser einzigartigen Lage Weine zu schaffen, die die Natur, in der sie entstanden sind, widerspiegeln.

Die Tenuta Licinia verbindet akribische geologische Forschung mit traditioneller Handwerkskunst und innovativer Weinbauphilosophie. Durch die gezielte Auswahl von Mikro-Parzellen mit einzigartigem Terroir entstehen aussergewöhnliche Einzellagenweine, die sich durch Präzision, Mineralität und aromatische Tiefe auszeichnen. Die Weine sind für mich keine typischen Weine aus der Toskana,

Mit Sasso di Fata hat das Weingut ein ambitioniertes Projekt geschaffen, das Cabernet Sauvignon in einem völlig neuen Licht zeigt – geprägt von toskanischem Schiefer, floraler Eleganz und subtiler Struktur.

Sasso di Fata – Ein einzigartiger Clos-Cabernet Sauvignon

Cabernet Sauvignon wird in Europa selten in kleinen Clos-Weinbergen angebaut, sondern meist in grösseren Appellationen wie Bordeaux. James hat mit Sasso di Fata ein innovatives Projekt geschaffen: einen Cabernet Sauvignon aus einer einzelnen, schieferhaltigen Parzelle.

Die Besonderheiten dieses Weins sind:

  1. Aromatik – Intensiver Duft nach reifen Rosen, beeinflusst durch kalkhaltige Schieferböden.
  2. Mineralität – Salzigkeit aus dem Schiefer und eine markante Graphitnote, die durch das Zusammenspiel von Cabernet Sauvignon und lockerem Gestein entsteht.
  3. Textur – Samtige Tannine, die durch die feinen Schieferstrukturen geprägt sind, mit einer opulenten, aber präzisen Struktur.

Dieser Wein stammt aus dem 3,5 Hektar grossen Weinberg „Sasso di Fata“, der auf einem goldfarbenen, kalkhaltigen Schieferboden liegt. Die Reben wurden 2007 mit einer Dichte von 6.000 Pflanzen pro Hektar gepflanzt. Der Wein wird nur sanft extrahiert, um die Primäraromen zu erhalten. Die Reifung erfolgt für 12 Monate in 500L-Fässern aus französischer Eiche, wovon nur 33 % neu sind. Dadurch bleibt der Einfluss des Holzes dezent, um die feine Aromatik und Mineralität nicht zu überdecken.

Die Weine:

Sasso di Fata IGT Toscana Rosso 2021

Der Wein besteht hauptsächlich aus Cabernet Sauvignon (58%), ergänzt durch Cabernet Franc 7) und Merlot (35%).

  • In der Nase: Aromen von reifen roten Früchten wie Kirschen und Cassis, florale Noten von Rosenblüten, feine Gewürze und eine subtile, mineralische Nuance, die an Schiefer und Erde erinnert. Ein Hauch von Vanille und geröstetem Holz ergänzt die Aromatik.
  • Im Gaumen: Dynamisch und elegant, mit mittlerem bis vollem Körper. Aromen von dunklen Beeren, Cassis und einer salzigen Mineralität dominieren, während die Tannine fein und gut integriert sind. Der Wein hat einen langen, sauberen Abgang, der durch eine leicht schieferartige Note unterstrichen wird.
  • Food Pairing: Perfekt zu gegrilltem Rindfleisch, Lammkoteletts, Wildgerichten wie Hirschrücken oder zu einem kräftigen Pecorino-Käse.

Sasso di Fata IGT Toscana Rosso 2022

Der Wein besteht hauptsächlich aus Cabernet Sauvignon (45%), ergänzt durch Cabernet Franc 45%) und Petit Verdot (10%).

 

  • In der Nase: Noten von roten und dunklen Früchten, florale Anklänge und dezente Gewürze.
  • Im Gaumen: Typischerweise geschmeidig und frisch, mit einer markanten, aber harmonischen Säure und samtigen Tanninen. Ein intensiver, fruchtiger Kern.
  • Food Pairing: Wildgerichte, gegrilltes Fleisch oder ein cremiges Risotto mit Pilzen sind hervorragende Begleiter.

Fazit zu den 2 sehr unterschiedlichen Jahrgängen des Sasso di Fata. Für mich ist der 2021 einer der mineralischen Cabernet Sauvignon (Graphitnote), den ich je verkostet habe und der 2022 eher auf der floralen und beerigen Seite.

Montepolli IGT Toscana Rosso 2022

Der „Montepolli“ stammt aus dem gleichnamigen Weinberg und ist Teil des Portfolios der Tenuta Licinia. Ein Cuvee aus Merlot und Petit Verdot je ca. 50 %.

  • In der Nase: und fruchtigere Aromatik. Noten von Kirschen, Pflaumen und vielleicht einem Hauch von Kräutern
  • Am Gaumen: frisch und mittel voll, mit weichen Tanninen (spürbaren) und einer lebhaften Säure. Die fruchtigen Aromen sind klar und sauber, mit einem Hauch von Mineralität und einem angenehmen, frischen Abgang.
  • Speiseempfehlung: Ideal zu Pasta mit Tomatensossen, gegrilltem Hühnchen, Antipasti wie Bruschetta oder mittelkräftigen Käsesorten.

L’Onda 2023

Der L’Onda 2023 (Fassprobe) von Tenuta Licinia ist ein Wein (100% Cabernet Franc), der die einzigartigen Eigenschaften seines Terroirs widerspiegelt.

  • In der Nase: frische Früchte und florale Nuancen, insbesondere Rosenknospen, ergänzt durch einen Hauch von getrockneten Beeren.
  • Am Gaumen: frisch und zupackend, wobei die floralen Aromen der Nase erhalten bleiben und durch frische Cassis-Noten bereichert werden. Die Balance mit dem Holzeinsatz ist harmonisch, leicht salziger Abgang.
  • Speiseempfehlung: Dieser Wein harmoniert hervorragend mit Rindfleisch oder einem Linsengericht.

L’Isolato 2023

Der L’Isolato 2023 (Fassprobe) von Tenuta Licinia ist eine Cuvée (Sangiovese), die darauf abzielt, die einzigartigen, von Wäldern umgebenen Eindrücke der toskanischen Landschaft in den Wein zu übertragen.

  • In der Nase: Bouquet mit Aromen von reifen roten Früchten, begleitet von floralen Noten.
  • Am Gaumen: Der Wein zeigt sich dynamisch und elegant, mit gut integrierten Tanninen, welche noch sehr präsent sind, einer angenehmen Frische, die die fruchtigen Aromen unterstreicht.
  • Speiseempfehlung: Dieser Wein passt hervorragend zu gegrilltem Fleisch, Wildgerichten oder gereiftem Käse.

Die Weine kann man online oder in den 2 Geschäften (Zürich und Basel) von

https://musikundwein.ch/

Prost Pascal Burckhardt

Danke an das Team von Studio Cru und an James Marshall-Lockyer.

Foto: Tenuta Licinia